DATA & FACTS
BAUTEN-01.10.2012
Daten + Fakten

Objekt: Sanierung Studentendorf Berlin-Schlachtensee

Bauherr: Genossenschaft Studentendorf Berlin-Schlachtensee e.G.

Architekten: Fehling, Gogel und Pfankuch, Berlin (Errichtung 1957-1964), Autzen & Reimers Architekten und Stadtplaner BDA / SRL, Berlin (Sanierung 2004-2011)

Fotograf: Studio 9, Datteln

Damit wurde gebaut

WDVS: weber.therm plus ultra

Dämmstoff: Resol-Hartschaum WLG 022, Stärke 40 mm

Oberputze: weber.top 200 mineralischer Edelkratzputz, Körnung 1,0 mm und 3 mm, Farbtöne nach NCS und Farbsystem des Herstellers,Glimmerzuschläge, weber.star 260 mineralischer Filzputz, Körnung 1,0 mm

Zitat

„Auch ein Denkmal muss wirtschaftlich zu betreiben sein, sonst wird es nutzlos und ist letztendlich doch wieder vom Abriss bedroht.“ Autzen & Reimers Architekten und Stadtplaner 

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Authentischer Denkmalschutz

Studentendorf Schlachtensee: Energetische Sanierung rettet den Nachkriegsbau

Durch ein komplexes Sanierungskonzept und liebevolle Detailarbeit bleibt die Charakteristik des denkmalgeschützten Studentenwohnheims erhalten.

Die architektonische Qualität der Deutschen Nachkriegsbauten wird häufig verkannt. Schlechte Baumaterialen und die Mangelwirtschaft in der Entstehungszeit machen den Gebäuden zusätzlich zu schaffen. So schwankte auch die Zukunft des Studentendorfs Berlin-Schlachtensee lange zwischen Sanierung und Abriss. Durch ein komplexes Sanierungskonzept und liebevolle Detailarbeit bleibt die Charakteristik der denkmalgeschützten Gebäude nunmehr erhalten.

Als Anfang der 1950er Jahre der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) der Freien Universität Berlin die Initiative zur Schaffung von studentischem Wohnraum ergriff, war Berlin immer noch von Kriegszerstörungen gekennzeichnet. Unterstützt vom U.S. State Department wurden die Berliner Architekten Hermann Fehling, Daniel Gogel und Peter Pfankuch mit der Planung einer ersten Wohnanlage beauftragt. Sie entwickelten das Studentendorf Schlachtensee als offene Stadtlandschaft mit kleinräumigen Strukturen und großzügigen Gemeinschaftseinrichtungen in der Mitte – ein Spiegel der jungen bundesrepublikanischen Gesellschaft, die sich nicht mehr als monumentale Einheit, sondern als individuelles Miteinander unterschiedlicher Bürger verstand.

Symbolträchtige Studentensiedlung für Westberlin

Im ersten Bauabschnitt von 1957 bis 1959 entstanden achtzehn ein- bis zweigeschossige Häuser mit Wohngruppen von bis zu 30 Studenten sowie die dazugehörigen Verwaltungs- und Gemeinschaftseinrichtungen. Bis 1977 wurde das Dorf in mehreren Schritten weiter ausgebaut. Besonders die frühen Gebäude von Fehling, Gogel und Pfankuch weisen eine architektonische Vielfalt auf, die Gebäuden der Nachkriegszeit häufig fehlt. Kein Zimmer gleicht dem anderen, kein Fenster sitzt über dem anderen. Material von Wänden, Böden, Decken wird übergangslos von innen nach außen getragen. Einzelne, verputzte Wandscheiben in damals typischen Farbtönen wie grün, blau oder schwarz kombinierten die Architekten mit den natürlichen Baustoffen Ziegel, Stahl und Holz.

Die Konstruktion hat ihre Tücken. Kondenswasser und Abdichtungsprobleme machten den thermisch nicht getrennten und zudem außenseitig bündigen Stahlfenstern bereits in der Entstehungszeit zu schaffen. Zahlreiche Risse und Putzschäden, bedingt durch zu weiche Betonplatten, dünnes Außenmauerwerk und dunkel eingefärbte Putze führten zu Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelbildung. An Wärmebrücken dachte vor 50 Jahren ohnehin niemand. Lange stand das zunehmend verfallene Studentendorf daher vor dem Abriss, bis die Anlage 1995 nach massiven Protesten unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Nur mit energetischer Sanierung

Mit der Entscheidung für den Erhalt begann die Entwicklung eines umfassenden Sanierungskonzeptes durch die Berliner Architekten und Autzen & Reimers. Steigende Energiepreise und der daraus folgende Kostendruck auf die Betreiber legten trotz großzügiger Ausnahmeregelungen für denkmalgeschützte Gebäude eine Verbesserung der Energieeffizienz nahe. „Selbstverständlich stand der behutsame Umgang mit dem Bestand im Vordergrund“ berichtet Projektleiter Bernd Reimers. „Doch auch ein Denkmal muss wirtschaftlich zu betreiben sein, sonst wird es nutzlos und ist letztendlich doch wieder vom Abriss bedroht.“ Der Architekt hält es daher für unabdingbar, auch geschützte Gebäude in die Bemühungen zur Energieeinsparung mit einzubeziehen.

Dass die energetische Sanierung eines Denkmals ohne Verlust der Authentizität möglich ist, bewiesen Autzen & Reimers unter anderem mit ausgeklügelten Lösungen zur Fassadensanierung. Veränderungen in Proportion und Maßstab der Fassaden sollten dabei so gering wie möglich ausfallen. Lediglich 45 mm zusätzlicher Aufbaustärke genügten schließlich zur energetischen Verbesserung der Hüllfläche und zur Überdeckung der zahlreichen Wärmebrücken. „Die Veränderungen machen auf dem Ausführungsplan nicht mehr als die Breite eines Zeichenstrichs aus“, so Architekt Reimers. „Das ist selbst bei vorspringenden Bauteilen und den markanten Wandscheiben kaum wahrnehmbar.“ Durch den Kniff wurde unter anderem der Einbau von neuen Fenstern möglich, die trotz identischer Ansichtsbreiten mit 3-fach-Wärmeschutzverglasung ausgestattet wurden. Kleinere Adaptionen wie Wasserschenkel dienen dem Schutz der Fassaden.

Schlankes System außen, mineralische Dämmung innen

Bereits früh wurde Saint-Gobain Weber als Hersteller in das Projekt mit einbezogen. Gemeinsam mit dem Architekten und den Experten der Denkmalpflege wurden verschiedene Varianten zur Fassadensanierung entwickelt, die Authentizität und zeitgemäße Energieeffizienz in Einklang bringen. Die Wahl fiel schließlich auf das Wärmedämm-Verbundsystem weber.therm plus ultra mit dickschichtigem Putzaufbau. Das System auf der Basis von hochdämmenden Resol-Hartschaumplatten eignet sich besonders für Anwendungsfälle, in denen hohe Dämmleistungen mit schlanken Aufbauten erreicht werden müssen. Durch die Kombination von 40-mm-Wärmedämm-Verbundsystem und zusätzlicher mineralischer Innendämmung in den kritischen Brüstungsbereichen konnte der U-Wert der Fassaden schließlich unter den EnEV-Grenzwert auf 0,21 W/m2K gesenkt werden.

Größter Wert wurde auf die originalgetreue Nachbildung der Kratzputzoberflächen gelegt – eine besondere Herausforderung für die Anwendungstechniker des Herstellers. Bereits im Vorfeld analysierte man intensiv Struktur, Korngröße, Körnungsart und Farbe. Auf Basis zahlreicher Muster konnten schließlich Rezepturen entwickelt werden, die eine größtmögliche Anwendungssicherheit auch bei den sehr dunklen Putzoberflächen garantieren.

Im Studentendorf Schlachtensee werden bis zu 1.000 m2 Fassadenfläche jährlich auf diese Weise saniert. Zwar sind noch nicht alle Gebäude fertiggestellt, doch das Ergebnis kann sich sehen lassen: Durch die energieeffiziente Gebäudehülle in Kombination mit moderner Gebäudetechnik konnte der Energiebedarf der sanierten Häuser um ca. 60 % gesenkt worden. Kein schlechtes Ergebnis für ein Denkmal.