DATA & FACTS
KÖPFE-01.05.2023
Zu den Personen

Katrin Lesser
Als freischaffende Landschaftsarchitektin ist Katrin Lesser auf denkmalgeschützte Anlagen spezialisiert. U.a. hat sie zwei denkmalpflegerische Gutachten zu den Gärten und Freiflächen der Hufeisensiedlung verfasst. Ihr Urgroßvater, der Gartenarchitekt Ludwig Lesser, hat z.B. bei der Gartenstadt Falkenberg mit Bruno Taut zusammengearbeitet.

Ben Buschfeld
Ben Buschfeld ist als selbstständiger Kommunikationsdesigner auf Architektur- und Denkmalvermittlung spezialisiert. Er ist ein aktiver Botschafter des UNESCO-Welterbes „Siedlungen der Berliner Moderne“ und hat u.a. die Website welterbe-siedlungen-berlin.de maßgeblich erstellt sowie den Architekturführer „Bruno Tauts Hufeisensiedlung“ veröffentlicht.

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Ein mietbares Museum

Katrin Lesser und Ben Buschfeld über das Projekt „Tautes Heim“

Katrin Lesser und Ben Buschfeld über den Erhalt und die Vermittlung des baukulturellen Welterbes „Hufeisensiedlung Berlin-Britz“.

Sie beide setzen sich für den Erhalt der „Siedlungen der Berliner Moderne“ und besonders für die Hufeisensiedlung von Bruno Taut und Martin Wagner ein. Wie kam es zu diesem Engagement?

Katrin Lesser (KL): Wir sind 1998 in die Hufeisensiedlung gezogen. Kurz danach wurde die Inhaberin, die Wohnungsbaugesellschaft GEHAG, von der Stadt Berlin privatisiert. Die 679 Reihenhäuser, die hier stehen, wurden an Privatpersonen verkauft. Das war nicht nur sozialpolitisch, sondern auch denkmalpflegerisch eine enorme Herausforderung. Auf einmal waren mehrere hundert Einzeleigentümer*innen dafür verantwortlich, ein sehr differenziert gestaltetes Denkmal zu erhalten, was die für Genehmigungen zuständigen Behörden überfordert hat.

Ben Buschfeld (BB): Wir kamen dann gemeinsam auf die Idee, eine Datenbank zu erarbeiten, in der alle denkmalpflegerischen Details zu den Freianlagen und Gebäuden enthalten sind. Möchte man z.B. die Fenster streichen, findet man hierin die richtige RAL-Farbe. Das hat den Prozess für alle Beteiligten enorm vereinfacht.

Sie machen aber noch mehr für die Hufeisensiedlung…

KL: Stimmt. Für die Erstellung der Datenbank haben wir gemeinsam mit weiteren Beteiligten den Förderverein „Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung Berlin-Britz e.V.“ gegründet. Wir möchten nicht als Denkmalpolizei auftreten, sondern kontinuierlich für das baukulturelle Erbe sensibilisieren und die Gemeinschaft fördern. 

BB: Es werden Vorträge gehalten, wir machen Führungen, und einmal im Jahr gibt es ein Straßenfest für alle Bewohner*innen. 2012 haben wir außerdem ein Ladenlokal zu einem öffentlich zugänglichen Ausstellungsraum mit Café umgewandelt.

Und dann gibt es da noch Ihr Projekt Tautes Heim. Was hat es damit auf sich?

KL: In den neun Jahren, in denen Bruno Taut praktizierte, hat er knapp 12.000 Wohnungen gebaut, die bis heute bestehen – knapp 3500 davon sind heute Welterbe. Obwohl er eine so wichtige Person für Berlin war, gab es kein Museum, das ihm gewidmet gewesen wäre oder seine Vision des Wohnens vermittelt hätte. Als wir dann durch Zufall auf das leer stehende Haus in der Hufeisensiedlung stießen, in dem noch sehr viel Originalsubstanz erhalten war, haben wir unsere Altersvorsorge nochmal neu gedacht.

BB: Wir haben das Haus gekauft und den Originalzustand nahezu wiederhergestellt. Heute vermieten wir es als Ferienhaus. Denn die Architektur von außen zu sehen ist das eine, aber in die Häuser hineinzugehen und sie – wie in Tautes Heim möglich – selbst nutzen zu können vermittelt ein viel besseres Gefühl davon, wie es sich hier lebt.

Wie lebt es sich denn nach den Vorstellungen Tauts?

KL: Er hat für den Verzicht auf allzu viel historisierenden Dekor wie die heute noch bekannten Löwenfüße zugunsten einer deutlich moderneren, zweckmäßigeren Einrichtung plädiert. Im Gegenzug findet sich die typische Farbenfreude der Fassaden auch im Innenraum wieder: keine Tapeten, wenig Bilder, dafür aber starke Wandfarben.

BB: Durch seine Vielzahl an erfolgreichen Publikationen hat sich die Redewendung „seine Wohnung tauten“ entwickelt. Darauf hebt auch der Name „Tautes Heim“ ab.

Haben Sie Ihr eigenes Haus auch getautet?

BB: So intensiv farbige Wände haben wir zu Hause nicht. Den Grundriss mit den recht kleinen Räumen – 6 auf 124 m2 – haben wir aber erhalten und uns ein wenig von Tauts Tricks abgeguckt. Wir haben die Räume nicht vollgestellt und stattdessen mit leicht spiegelnden Einbauschränken gearbeitet.

KL: Ansonsten mussten wir unsere Räume nicht tauten, da wir von Anfang an keine Löwenfüße hatten.

www.tautes-heim.de, Foto Ben Buschfeld
www.tautes-heim.de, Foto Ben Buschfeld
Grundriss: Brenne Architekten, coloriert/bearb.: Ben Buschfeld
Bild: www.tautes-heim.de, Foto Ben Buschfeld