DATA & FACTS
KÖPFE-01.05.2022
Peter Zenker Architekt

Peter Zenker ist in den Bereichen Projektentwicklung, Architektur, Innenarchitektur und Design tätig. Naturnahes, landschaftsgerechtes Planen und Bauen, dem Geist des Ortes folgend, prägt seine Arbeit.

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Die Kraft der Landschaft

Architekt Peter Zenker über den Genius Loci

In Farbe und Struktur greift die Putzfassade eines Wohn- und Atelierhauses in Lüdersen die Materialität des Ortes auf und wird so zum Teil der Landschaft.

Sie sind vor drei Jahren aus Hannover in das Dorf Lüdersen gezogen. Wie kam es dazu?

Wir haben in der Stadt gelebt und hatten gar nicht vor umzuziehen. Dann habe ich eine Annonce gelesen „Grundstück am Hang zu verkaufen“ und mich gefragt, wo es in der niedersächsischen Tiefebene so ein Grundstück gibt? Es liegt in absoluter Dorfrandlage, angrenzend an ein Naturschutzgebiet und den Wald. Da haben wir entschieden: Wenn wir selbst bauen, dann hier!

Wie ist die Umgebungsbebauung?

Alle anderen Häuser sind traufständig mit Satteldach. Letztendlich sind es Grundstücke mit Häusern, die den Blick in die Landschaft verstellen. Das ist egal für den, der da wohnt, aber nicht schön für die Nachbarn. Unser Haus sollte so sein, dass der Blick für die oberen Nachbarn frei bleibt. Das finde ich vor allem im ländlichen Raum wichtig. Hier hat solidarisches Miteinander einen viel höheren Stellenwert als in der Stadt. Lüdersen hat rund 1.000 Einwohner, man kennt jeden und hat daher eine Verantwortung für andere.

Wie haben Sie sich dem Ort mit Ihrem Entwurf genähert?

Die räumliche Bewegung und das Eingehen auf den Genius Loci waren mir wichtig. Von der Straßenseite aus fällt das Dach über den Carport ab, um dann über dem Wohnhaus wieder aufzusteigen und mit großer Glasfassade die Aussicht in die Landschaft zu ermöglichen. Das Atelier ist noch einmal die gleiche Idee in klein neben dem Wohnhaus. Diese Bewegung der Pultdächer charakterisiert den Entwurf.

Welche Aspekte prägen aus Ihrer Sicht momentan die Entwicklung des ländlichen Raums?

Wir haben im Ort zwei gute Beispiele, ein negatives und ein positives. Eine Gruppe überwiegend jüngerer Leute macht als Genossenschaft aus zwei alten Langscheunen durch die Aufteilung in „Scheiben“ Reihenhäuser. Ein schönes Projekt, das möglichst viel Bausubstanz erhält.
Das negative Beispiel: Ein Investor hat einen alten Hof gekauft und will dort bauen wie in der Stadt: Tiefgarage und ein dreigeschossiges Wohnhaus drauf. Das Ganze soll direkt unterhalb des Ortskerns neben einer denkmalgeschützten Kirche realisiert werden. Das ist Bauen ohne Maß, ruft aber auch Widerstand hervor: Es hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die sich dagegen wehrt.

Was macht für Sie denn zeitgenössische ländliche Architektur aus?

Die Planenden müssen die Besonderheit des Orts erkennen und eine gute Integration ins Dorf gewährleisten. Es sollte der richtige Maßstab gewählt und möglichst viel Bestand erhalten werden. Außerdem sollte die bestehende Materialität aufgenommen werden.

Sie haben sich aber für einen anderen Weg entschieden. Wie sind Sie zu dieser Fassadengestaltung gekommen?

Für uns zählte nur der Genius Loci. Das Haus soll zum Teil der Landschaft werden. Deshalb greifen Farbe und Struktur des Putzes die Erde des Grundstücks auf. Ich hatte ab Baubeginn den Fachberater von Saint-Gobain Weber an Bord. Wir haben von ihm über 20 verschiedene Putzmuster bekommen. Das war sehr anschaulich, da es richtige Putzstücke waren, an denen wir den Schattenwurf und die Haptik erkennen konnten. Wir haben uns schließlich für einen extrem rauen Edelkratzputz mit einer Körnung von 8 Millimetern entschieden.