Rekonstruktion denkmalgeschützter Putzfassaden
Am Anfang einer Fassadenrekonstruktion steht die Materialanalyse der historischen Baustoffe sowie die Abstimmung der Putzmuster mit der Denkmalschutzbehörde.
Das Farbkonzept von Bruno Taut zählt zu den bedeutendsten der modernen Architekturgeschichte. Über die Zeit haben sich die von ihm geschaffenen Siedlungen jedoch verändert. Viele der Gebäude und Siedlungen wurden im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt oder komplett zerstört und mussten neu errichtet werden. Häufig war es für Architekt*innen und Stadtplaner*innen schwierig, die genaue Farbgebung wiederherzustellen, da viele der ursprünglichen Farben nicht belegt waren.
Wird eine historische Rekonstruktion angestrebt, müssen die ursprünglichen Strukturen, Materialien und Techniken untersucht werden. Der erste Schritt besteht darin, die Fassadenstrukturen und Materialien sorgfältig zu dokumentieren. Dies kann durch Fotografie, Zeichnungen, Beschreibungen und andere Techniken erfolgen. Auch die Recherche von Archivmaterial aus der Bauzeit gehört dazu. Anschließend geht es an die Materialanalyse. Eine detaillierte Untersuchung der verwendeten Rohstoffe kann helfen zu bestimmen, wie die Fassade konstruiert wurde und welche Techniken zum Einsatz kamen. Meist beauftragt die Denkmalschutzbehörde einen Restaurator oder eine Restauratorin mit Untersuchungen und detaillierten Putzanalysen zur Bestimmung der Originalrezepturen.
Die Rezeptur als Schlüssel
Rezepturen sind bei der denkmalgerechten Sanierung von Fassadenputzen von großer Bedeutung, da sie darüber entscheiden, ob die Rekonstruktion dem Originalzustand möglichst nahekommt. Insbesondere wenn die Denkmalschutzauflagen besagen, dass im Rahmen der Sanierung Teile der historischen Bausubstanz erhalten und restauriert werden müssen, ist eine exakte Abstimmung der neuen Putzmischung auf die alten Rezepturen erforderlich.
Hierfür werden Stichproben vom Originalputz genommen und im Labor analysiert. Die detaillierte Untersuchung der technischen Zusammensetzung gibt Aufschluss über Bindemittelzusammensetzung (etwa Ton, Kalk, Kalk-Zement oder Gips), Färbung der Putze, Sieblinie und Art der Zuschläge (etwa Kies oder Sand). Auch die Handwerkstechnik, mögliche Anstriche sowie zugesetzte Pigmente lassen sich erkennen.
Rekonstruktion des Materials
Der ausführliche Analysebericht wird zusammen mit den Siebfraktionen und Teilen des Bestandsputzes an das Labor des beauftragten Putzherstellers weitergeleitet. Dort wird die historische Rezeptur rekonstruiert. Eine Hürde ist dabei die Tatsache, dass die historischen Sande, Körnungen und Bindemittel nicht mehr zur Verfügung stehen und durch neuzeitliche Rohstoffe ersetzt werden müssen.
So liefert die Originalrezeptur heute nicht notwendigerweise das gleiche Ergebnis wie früher. Denn die Rohstoffe, mit denen Putzhersteller wie Saint-Gobain Weber arbeiten, sind heute reiner, d.h. sauberer als die Putze des frühen 20. Jahrhunderts, die in der Regel von Hand auf der Baustelle zusammen-gemischt wurden. Daher wirken die neuen Putze heller, und die Rezeptur muss dem Original angepasst werden.
Bemusterung vor Ort
Um einen möglichst authentischen Rekonstruktionsprozess zu gewährleisten, werden Musterplatten mit Strukturen und Farbtönen erstellt, die vor Ort an der Baustelle von Vertreter*innen der Denkmalbehörde, des Bauherrn, des Architekturbüros und des Herstellers mit dem Bestandsputz abgeglichen werden. So können beispielsweise die unterschiedlichen Farbeffekte verdeutlicht werden, die durch das Reiben oder Kratzen einer Fassade entstehen. Ist der Bemusterungsprozess abgeschlossen, erfolgt die Umsetzung der Rekonstruktion.