DATA & FACTS
KÖPFE-20.11.2023
Zum Büro

HÜTTEN & PALÄSTE

Zusammen mit Nanni Grau gründete Frank Schönert vor knapp 20 Jahren das Architekturbüro Hütten & Paläste in Berlin. Der Name des mittlerweile 15-köpfigen Teams steht dabei repräsentativ für ihre experimentellen Ansätze und das Austesten von Grenzen. Sie bewegen sich im gesamten Architekturspektrum von „Hütten“ – also kleinen, einfachen und trotzdem sehr individuellen Gebäuden – bis hin zu großen öffentlichen Bauten der Gemeinschaft, den „Palästen“, und agieren dabei lokal und in ganz Deutschland.

Gefällt dir der Beitrag? Jetzt Teilen!
Mehr als ein Nutzungszyklus

Frank Schönert über Bestand und Neubau, Reduktion und Transformation

Herr Schönert, Sie arbeiten mit Ihrem Team überwiegend im Bestand. Wie hat sich dessen Wahrnehmung über die letzten Jahre verändert?

Der Bestand war lange Zeit ein Nischenthema in der Architektur. Natürlich gab es viele gute Arbeiten auf diesem Gebiet, das war allerdings nicht der Regelfall. Inzwischen hat diese Aufgabe andere Dimensionen erhalten. Wir wissen, dass wir fertig gebaut haben, denn mit dem aktuellen Bestandsvolumen könnten wir allen Bedarfen gerecht werden. Hinzu kommt, dass die Baubranche einen großen Einfluss auf die Klimakrise und Ressourcenknappheit hat. Deshalb dürfen wir nicht einfach blind abreißen und neu bauen, sondern müssen den Bestand weiterbauen, umbauen und transformieren.

Mit Ihrem Büro verfolgen Sie die beiden Leitgedanken der prozessoffenen Architektur sowie der Reduktion auf das Wesentliche. Was bedeutet das für Sie?

Gebäude müssen in mehr als einem Nutzungszyklus gedacht werden. Wenn ein Zyklus endet, muss der nächste möglich sein. Wir haben riesige leer stehende Kaufhäuser in Deutschland, alle kaufen online ein. Wie soll man diese tiefen, unflexiblen Gebäude in Zukunft nutzen? Der Gedanke, mit dem wir uns also auseinandersetzen müssen, ist: Wie kann ein Gebäude nicht nur mono-, sondern multifunktional sein, um dadurch eine möglichst lange Lebenszeit zu erhalten? Gleichzeitig geht es auch im Bestand noch darum,

Ressourcen zu schonen. Wir haben viele Erfahrungen mit kleinen Häusern gemacht. Die Strategien, wie sich möglichst viele Nutzungen auf kleinstem Raum unterbringen lassen, ohne dabei beengend zu wirken, übertragen wir mittlerweile auch auf größere Projekte. Es ist spannend zu sehen, wie wenig man hinzufügen oder entnehmen muss, um ein ganzes Gebäude neu zu definieren.

Wie konnten Sie diese Prinzipien im Neckarhofgebäude anwenden?

Als die Planung begann, war den Bauherren noch nicht klar, was eigentlich aus dem Bestand werden soll. Also sagten wir uns: „Okay, dann machen wir daraus ein Gebäude, das alles kann.“ Nachdem die Grundrisse bereinigt waren, wurden Wände und Böden grob repariert. Die Wände erhielten einen weißen Anstrich, die Böden erinnern nun an einen Patchwork-Flickenteppich. So erkennt man überall die Geschichte des Hauses. Anschließend wurde in jeder Etage eine hölzerne Funktionsbox mit Küche, WC, Bad, Lagerraum und Garderobe eingestellt. Sie stellt die Erstbesiedelung in einem leeren Raum dar. Ausgehend von dieser Grundstruktur entstand – erst während des Baus und zusammen mit den späteren Nutzer*innen – eine Raumaufteilung. Dadurch gibt es in jeder Etage andere Grundrisse und dementsprechend auch Nutzungen. Die Innenwände aus Holz und Glas können zudem wieder abgebaut und in Zukunft an anderer Stelle positioniert werden.

Warum entschieden Sie sich für eine Aufstockung, und wie agiert sie mit dem Bestand?

Die Aufstockung hatte einen ganz einfachen Grund: Es gab das städtebauliche Potenzial, also nutzten wir es. Zusammen mit dem Ausbau des Kellers wurden aus vier nutzbaren Etagen sechs, wodurch zusätzliche 50 Prozent des Bestands aktiviert werden konnten. Auf den massiven Mauerwerksbau setzten wir ein Geschoss in leichter Holzbauweise. Der Innenraum unterscheidet sich hauptsächlich durch die sichtbare Holzbalkendecke zu den unteren Etagen. Der Kratzputz an der Fassade orientiert sich an den umgebenden Gebäuden und soll die Einfachheit des Gebäudes abbilden. Farblich hebt er sich vom Bestandsputz auf der Innenhofseite ab, wodurch die Ergänzung optisch ablesbar wird. Die Geschichte des Hauses wollten wir keinesfalls verschleiern – sie ist schließlich das Einzige, das nicht entworfen werden kann.