1998 wagten Sven Blumers, Gerhard Kruschhausen und Sven Nolte die Selbstständigkeit, zu dritt gründeten sie Blumers Architekten. Michael Koehntopp kam später als vierter Partner hinzu. Bis heute sind BA konstant gewachsen – durch anspruchsvolle Aufgaben und neue Mitarbeitende. Derzeit arbeiten hier 40 Architekt*innen und Ingenieur*innen mit Blick fürs Detail und fürs große Ganze. Sie agieren lokal und global, individuell und immer als Team.
Sven Nolte, Blumers Architekten, über graue und goldene Energie
Die denkmalgerechte Sanierung eines Wohnblocks der Attilahöhe von Bruno Taut und Franz Hoffmann ist ein Beispiel, wie die Berliner Architekten graue wie goldene Energie erhalten.
Herr Nolte, „Wir leben Baukultur“, heißt es auf der Website von Blumers Architekten. Worin zeigt sich das?
Einer unserer Schwerpunkte liegt im denkmalgeschützten Bestand. Wir erhalten hier nicht nur die graue Energie, sondern auch die goldene Energie – also das, was das Gebäude ausmacht, aber nicht sofort greifbar ist. Dazu tauchen wir sehr tief in die Gebäude ein und beschäftigen uns z.B. mit alten Materialien und traditionellen Handwerkstechniken, die es heute zum Teil gar nicht mehr gibt. Im Falle der Attilahöhe war das unter anderem die Sanierung der Putzfassaden n ach bauzeitlichem Vorbild.
Die Attilahöhe wurde nach den Plänen von Bruno Taut und Franz Hoffmann erbaut. Was macht diese Siedlung für Sie aus?
Bei Bruno Taut spielt der Außenraum eine besonders große Rolle. In den Innenhöfen der Wohnblöcke der Attilahöhe gibt es z.B. Mietergärten, die nicht nur privaten Grünraum inmitten der Stadt bieten, sondern auch das Nachbarschaftsgefühl stärken. In dem von uns sanierten Wohnblock mit 33 Häusern und 241 Wohnungen gibt es auch ein Waschhaus und Veranstaltungsräume, die als Treffpunkt genutzt werden. In einer Großstadt wie Berlin, wo man eher anonym lebt, ist so ein Nutzungsmix, der ganz bewusst auf die Gemeinschaft abzielt, unheimlich wertvoll. Und da sind wir dann auch schon wieder bei der goldenen Energie …
Inwiefern können diese und weitere Ideen von Taut zum sozialen Wohnungsbau bei der heutigen Schaffung von Wohnraum behilflich sein?
Taut hat es verstanden, Grundrisse zu entwickeln, die sehr klar und funktional sind und daher auch in der heutigen Zeit gut „funktionieren“. Gleiches gilt für die Materialwahl, die einfach, aber robust war und den Gebäuden Langlebigkeit verlieh. Neben der Freiraumgestaltung und dem Nutzungsmix sind das definitiv Merkmale, von denen wir uns eine Scheibe abschneiden können. Mir persönlich gefällt natürlich der von Taut gewählte Farbeinsatz, durch den er seinen Bauten ein Gesicht und Individualität gab. Wir sollten daraus lernen und wieder mutiger mit Farben umgehen.
Was war Ihre Aufgabe bei der Attilahöhe, und wie haben Sie sich ihr genähert?
Die Aufgabe unseres Büros lag in der denkmalgerechten Sanierung und Instandsetzung der Gebäudehülle, also Dächer, Fassaden, Loggien, Fenster und zum Teil auch der Grünanlagen. Als wir den Wohnblock das erste Mal besichtigten, war nicht sofort erkennbar, dass es sich um ein Werk von Bruno Taut handelt. Die ursprünglich farbenfrohe straßenseitige Putzfassade des Kopfbaus war in den Jahrzehnten mehrfach überformt und durch ein tristes Beige abgelöst worden, die charakteristischen Stahl-Glas-Konstruktionen nur noch rudimentär vorhanden und zum Teil zugemauert. Wir haben daher aufwändige Recherchearbeit betrieben und uns u.a. Pläne und Fotos aus der Bauzeit beschafft. Auch der Austausch mit den Bewohner*innen, die teilweise seit ihren Kindheitstagen hier wohnen und inzwischen 80 bis 90 Jahre alt sind, hat uns sehr geholfen.
Wie genau haben Sie die Putzfassade des Kopfbaus wiederhergestellt?
Einerseits auf Basis der Pläne und Fotos, die wir in den Archiven der TU Berlin und der Akademie der Künste am Pariser Platz gefunden haben. Andererseits aber auch durch die Arbeit des Restaurators Herrn Grell und die vielen Abstimmungen mit dem Denkmalschutz vor Ort. Obwohl der originale Putz nicht mehr vorhanden war, haben wir in den Fensterlaibungen noch kleine Überreste gefunden, die restauratorisch untersucht wurden. Die Analyse ergab, dass es sich bei der bauzeitlichen Fassade um einen roséfarben durchpigmentierten feinen Kratzputz gehandelt haben muss. Daraufhin und unter den Vorgaben des Denkmalschutzes erstellte Saint-Gobain Weber Musterplatten mit verschiedenen Putzstrukturen und Farbtönen. Das Ergebnis ist ein mineralischer Kratzputz, der die bauzeitliche Farbigkeit aufgreift und dazu noch einen Glimmer-Anteil besitzt. Das war laut Analyse übrigens auch früher so. Wenn man heute bei Sonnenschein vor dem Gebäude steht, zeigt sich dieser „Glitzereffekt“ an der Fassade sehr schön.