Sebastian Kuhnhaus ist Architekt und Sachverständiger für Schall- und Wärmeschutz. Vor über zehn Jahren machte er sich mit Alexander Betting selbständig. Gemeinsam gründeten sie das Büro Kuhnhaus-Betting Architekten, das heute auf das Bauen im Bestand spezialisiert ist – insbesondere auf die Modernisierung und Sanierung von Wohn- und Geschäftshäusern für große Wohnungsbaugesellschaften.
Stadtentwicklung im (ungeliebten) Bestandsbau
Architekt Sebastian Kuhnhaus über die Reaktivierung von Hannibal II in Dortmund-Dorstfeld.
Herr Kuhnhaus, der Wohnkomplex Hannibal II in Dortmund hat eine bewegte Vergangenheit. Wann und wie kam Ihr Büro ins Spiel?
Wir sind 2020 ins Projekt eingestiegen, als klar war: Der Hannibal II braucht eine grundlegende Sanierung, um überhaupt wieder bewohnbar zu werden. Als Büro mit Schwerpunkt auf das Bauen im Bestand haben wir die Aufgabe übernommen, den Komplex baulich und energetisch wieder auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen – inklusive aller Genehmigungsverfahren, Brandschutzertüchtigung und technischer Erneuerung.
Es ging also nicht nur darum, ein Gebäude zu sanieren, sondern einen ganzen Wohnstandort neu zu denken – im laufenden Austausch mit Eigentümer, Stadt und Fachplanenden. Dabei wurde deutlich, wie wichtig qualitätsvolles Bauen im Bestand für die Stadtentwicklung ist.
Hannibal II und sein „kleiner Bruder“ Hannibal I zählen zu den Bauwerken des Brutalismus. Wie stehen Sie zu dieser Architektur?
Brutalismus polarisiert, aber gerade das macht ihn auch so spannend. Die Gebäude der Nachkriegsmoderne, wie Hannibal I und II, stehen für eine Zeit, in der Architektur nicht nur funktional, sondern auch Ausdruck eines gesellschaftlichen Aufbruchs war. Sie waren als urbane, durchmischte Lebensräume zum Wohnen, Arbeiten und für die Freizeit gedacht. Natürlich zeigen sich nach Jahrzehnten die Schwächen – technisch, energetisch und sozial. Aber wir sehen darin auch eine große Chance: die Qualitäten vom Bauen im Bestand zu erkennen, weiterzuentwickeln und ihm ein zweites Leben zu schenken.
Mit welchen Maßnahmen schenken Sie Bauwerken des Brutalismus, wie Hannibal II ein zweites Leben?
Da es hier um eine komplette Wiederinbetriebnahme geht, basiert unser Konzept auf einer ganzheitlichen Herangehensweise. Sie umfasst sowohl die bauliche Hülle als auch die gesamte technische Infrastruktur. Dazu gehören unter anderem die brandschutztechnische Ertüchtigung, die Erneuerung der kompletten Haustechnik – Heizung, Sanitär, Elektro –, energetische Maßnahmen an Fassade und Dach, die Instandsetzung der Außenanlagen sowie die Modernisierung der Wohnungen selbst – inklusive neuer Bäder, Oberflächen und Fenster.
Und beim Bestandsbau kommen auch Produkte von Saint-Gobain Weber zum Einsatz?
Genau, für die Fassadensanierung. Gerade bei einem komplexen Projekt wie dem Hannibal II mit seinen vielen unterschiedlichen Fassadenflächen, Anschlusspunkten und Höhenlagen war uns ein hochwertiges und robustes System wichtig. Wir arbeiten deshalb mit einem Wärmedämm-Verbundsystem von Weber, das optimal zu den Anforderungen des Gebäudes passt – sowohl in Bezug auf die Dämmleistung als auch auf die Verarbeitung im Bestand. Zum Einsatz kommen mineralische Dämmplatten in Kombination mit passenden Armierungs- und Oberputzen.
Die Berichterstattung in der Lokalpresse war in der Vergangenheit eher negativ. Denken Sie, dass sich das nach der Fertigstellung ändern wird?
Die mediale Berichterstattung war sicher kritisch – und das zum Teil auch zu Recht. Der Zustand des Gebäudes nach der Stilllegung war erschreckend, die Unsicherheit bei den ehemaligen Mieter*innen groß. Aber genau deshalb ist dieses Projekt auch so wichtig: Es zeigt, dass selbst ein in Verruf geratenes Gebäude durch eine kluge, umfassende Sanierung wieder ein würdiger Wohnort werden kann.
Ich bin überzeugt: Wenn die ersten Menschen einziehen und Leben in die Anlage zurückkehrt, wird sich auch das Bild in der Öffentlichkeit ändern. Dann steht nicht mehr nur die Vergangenheit im Vordergrund, sondern das, was daraus gemacht wurde – und das ist in unseren Augen ein starkes Zeichen für Stadtentwicklung im Bestand und eine gelungene Sanierung von Bauten des Brutalismus.