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EXKURS-18.10.2024
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Reversibles Bauen

Vier europäische Beispiele für eine zirkuläre Stadt

In Europa sorgen strengere Vorschriften und die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels dafür, dass immer mehr Akteur*innen der Bauindustrie auf nachhaltige Konzepte setzen. Reversibles Bauen bietet dabei große Vorteile, wie vier Beispiele aus Europa zeigen.

Bis 2030 wird unsere Welt vermutlich um 2,5 Milliarden Stadtbewohner*innen reicher sein. Um diesen Zuwachs bewältigen zu können, müssen Städte mehr Wohnraum, Schulen und gewerbliche Flächen schaffen – und das inmitten der Klimaerwärmung. Endloses Neubauen ist keine nachhaltige Lösung. Der Bausektor muss umdenken, schließlich ist er für 50 Prozent des globalen Ressourcenverbrauchs und für 37 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Smarte Ansätze sind erforderlich, um sowohl umwelt- als auch kostenbewusst handeln zu können. Reversibles Bauen bietet in diesem Zusammenhang vielversprechende Lösungen.

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Die Bürogebäude des „Black Swans“-Projekts besitzen tragende Fassaden, die eine einfache Umnutzung ermöglichen. Foto: Anne Démians & Icade (Straßburg, Frankreich)

Reversibles Bauen: Anpassung an die Stadt von morgen

Reversibel bauen bedeutet, Gebäude ohne feste Nutzungsvorgaben zu entwerfen. Auf diese Weise lassen sie sich leicht an die veränderten Bedürfnisse von Städten und deren Bewohner*innen anpassen. Das Konzept geht auf die Architektin Anne Démians und den französischen Immobilienentwickler Icade zurück. Anwendung findet es zum Beispiel im Projekt „Black Swans“ in Straßburg. Das Ensemble im Hafenbereich der Metropole erstreckt sich über 30.000 m² und besteht derzeit aus drei Gebäuden, die als Wohnungen, Büros, Hotel und Restaurant genutzt werden. Ist eine Nutzungsänderung gewünscht, wird dies durch die besondere Bauweise begünstigt: Die Fassaden sind tragend, die vertikalen Erschließungskerne befinden sich in der Mitte der Gebäude. Somit kann der Grundriss jederzeit ohne großen konstruktiven Aufwand verändert werden.

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Im Herzen eines niederländischen Waldes wurde dieses Holzrahmengebäude für die Triodos Bank von Rau Architecten so gestaltet, dass es rückbaubar ist. Foto: Ossip (Zeist, Netherlands)
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Das neue Hauptquartier der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) wurde mit einem zirkulären Ansatz entworfen. Foto: Perkins&Will

Gebäude als Materialbanken

Was wäre, wenn Gebäude von Anfang an als Materialquellen für zukünftige Bauten konzipiert würden? RAU Architecten aus Amsterdam verfolgen genau diesen zirkulären Ansatz: Jedes ihrer Gebäude wird als temporäre Ansammlung von Materialien betrachtet, die vollständig rückbaubar und wiederverwendbar sind.

Ein Beispiel für dieses Konzept ist das Bürogebäude der Triodos Bank in den Niederlanden. Dort wurden laut RAU Architects 165.312 Schrauben verbaut – diese genaue Angabe kann das Amsterdamer Büro aufgrund der Plattform Madaster machen. Auf dem Kataster für Materialien können alle Produkte, die in einem Objekt verbaut wurden, registriert werden. Zusätzlich kann mit Madaster auf Grundlage eines BIM-Modells der Gebäuderessourcenpass erstellt werden.

Auch Perkins&Will mit Hauptsitz in London setzen auf nachhaltige Materialnutzung. Sie haben eine interne Datenbank für nachhaltige Materialien aufgebaut, die zukünftig allen Architekt*innen zugänglich gemacht werden soll. Zudem plädieren sie dafür, Gebäude und Innenräume nicht als fertige Endprodukte zu betrachten, sondern als eine Art „Materiallager“, wie Büroleiter Adam Strudwick bestätigt: „Produkte und Materialien haben oft eine längere Lebensdauer als der Raum, in dem sie verwendet werden, was eine offensichtliche Gelegenheit zur Wiederverwendung schafft.“

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Die Maison de Montmollin-Merveilleux, bekannt als „Le Pertuis“, wurde mit einem zirkulären Ansatz renoviert. Dies ist eine praktische Methode, um die Leistung des Gebäudes zu optimieren und gleichzeitig seine historischen Merkmale zu bewahren. Foto: Lutz Architectes

Im Einklang mit dem Denkmalschutz

Reversibles Bauen spielt auch beim Schutz historischer Gebäude eine wichtige Rolle. Das Schweizer Architekturbüro Lutz Architectes hat es sich zum Grundprinzip gemacht, Restaurierungen so zu gestalten, dass jede Veränderung rückgängig gemacht werden kann. Nach diesem Ansatz wurde auch das historische Le Pertuis-Gebäude in Neuchâtel (Schweiz) renoviert. Die Räume sind so flexibel konzipiert, dass sie sowohl als Wohnungen als auch als Büros genutzt werden können, da sie jeweils über Badezimmer und Küchen verfügen. Derzeit dient das Gebäude als Büro des botanischen Gartens, könnte jedoch in naher Zukunft auch als Wohnraum vermietet werden.

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Der Artikel basiert auf einem Text aus dem Magazin “Constructing a sustainable future” by Saint-Gobain.