DATA & FACTS
BAUTEN-01.05.2019
Daten+ Fakten

Objekt: Mies van der Rohe Business Park, Krefeld

Bauherr: Wolf-Reinhard Leendertz

Architekt: Georg von Houwald, VON HOUWALD_Architekten, Krefeld

Fassade: Froitzheim Planen + Bauen GmbH, Mönchengladbach

Bildrechte: Mies van der Rohe Business Park, Krefeld

Damit wurde gebaut

Füllmörtel: weber.dur 141 Schlitz-, Verfüll- und Universalmörtel

Unterputz: weber.dur 140 SLK Kalkzement-Superfaserleichtputz

Oberputz: weber.top 203 AquaBalance Edelkratzputz fein mit Glimmer, 2,0 mm Körnung

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Typisch Mies

Mies van der Rohe Business Park in Krefeld

Ein vom ehemaligen Direktor des Dessauer Bauhauses geplanter Industrie-Gebäudekomplex in Krefeld beherbergt heute moderne Büros und Gastronomie.

Die Wohnhäuser und Möbelstücke von Ludwig Mies van der Rohe werden auch heute noch als Klassiker wahrgenommen. Dass der ehemalige Direktor des Dessauer Bauhauses auch Industriearchitektur entwarf, ist weniger bekannt. Bei der Planung eines Gebäudekomplexes in Krefeld verabschiedete sich der Meister zugunsten weißer Putzfassaden von den für seine Wohnbauten so charakteristischen Backsteinflächen.

Ein Großteil der Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Krefelder Textilunternehmens VerSeidAG wurde von Mies van der Rohe geplant. Seit das Ensemble 1999 unter Denkmalschutz gestellt wurde, wird es sukzessive saniert. Damit einher geht auch die neue Nutzung als Mies van der Rohe Business Park, der zukünftig Unternehmen der Kreativbranche als Standort dienen soll. Ermöglicht wird dies durch den Bauherrn und Eigentümer Wolf-Reinhard Leendertz, der – selbst in fünfter Generation Textilunternehmer – dort zunächst nur seine Produktionsstätten erhalten wollte. Doch er erkannte das Potenzial der Bauhaus-Bauten und entwickelte für das Krefelder Areal ein Konzept für eine zeitgemäße Form des Arbeitens – behutsam und mit spürbarem Respekt vor dem Bestand. Um dem Gelände wieder Leben einzuhauchen, wird ein großzügiger Campus angelegt, der neben Büroflächen auch Raum für Gastronomie und Sportaktivitäten bietet.

Zwei Architekten – ein Prinzip

Das ursprüngliche Gebäudeensemble des Mies van der Rohe Business Parks entstand zwischen 1931 und 1939. Es beherbergte eine Produktionsstätte für Seidenstoffe. Die Entwürfe für das so genannte HE-Gebäude, in dem ursprünglich Herrenfutterstoffe hergestellt, gelagert und präsentiert wurden, die Färberei sowie das Kesselhaus stammen von Mies van der Rohe persönlich. Da er sich den Forderungen der Nationalsozialisten, in Deutschland ausschließlich im neoklassizistischen Stil zu bauen, nicht fügen wollte, übergab er 1934 die Planung der Warendurchsicht mit Uhrenturm, der Schlichterei, des Pförtnerhauses sowie des Bürotrakts an seinen Schüler Erich Holthoff, bevor er selbst in die USA emigrierte. Holthoff orientierte sich dabei stark an den Vorgaben seines Lehrmeisters, so dass stilistisch kaum Unterschiede erkennbar sind. Die Produktionsflächen reichten bald nicht mehr aus, in den Achtzigerjahren wurden weitere Gebäude ergänzt.

Da Mies van der Rohe seitens der VerSeidAG-Direktoren Hermann Lange und Josef Esters den Auftrag hatte, eine avantgardistische Architektur zu erschaffen, grenzen sich diese Bauten von den traditionellen Fabrikgebäuden in Backsteinbauweise deutlich ab. Das viergeschossige HE-Gebäude sowie die in neun Sheds gegliederte Färberei wurden in Stahlskelettbauweise konstruiert und mit einer weißen Putzfassade ausgeführt. Insbesondere die großzügigen Fensterflächen, die – untypisch für einen Produktionsbetrieb damals – neben Ausblicken auch Einblicke in den Herstellungsprozess gewährten, heben die VerSeidAG-Gebäude deutlich vom Großteil zeitgenössischer Bauten ab. Damit lehnt sich das Ensemble an die AEG-Turbinenhalle an, die Mies von der Rohes früherer Arbeitgeber Peter Behrens bereits 1908 entworfen hat, sowie an die Produktionsstätte der Fagus-Werke, die 1911 von Walter Gropius, dem Gründer des Bauhauses, geplant wurde. Darüber hinaus legte Mies van der Rohe Wert auf einen bündigen Anschluss von Putz und Sockel, den er mit Ziegelsteinen mauern ließ.

Sanierung nah am Original

Im Zuge der Sanierung stellten VON HOUWALD_architekten, Krefeld, die ursprüngliche Struktur des Geländes wieder her. Hierzu ließen sie zunächst die in den Achtzigerjahren ergänzten Gebäude abreißen, die den Blick auf die Bauhaus-Architektur störten. Dadurch wurden ein Zufahrtsweg geschaffen sowie der großzügige freie Außenraum um die Fabrikgebäude wiederhergestellt. Die Bauten, die auf Mies van der Rohe und seinen Nachfolger Erich Holthoff zurückgehen, werden nun nach und nach saniert. Hierbei orientieren sich die Architekten in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde eng an der ursprünglichen Ästhetik der Gebäude.

Dazu zählt auch der Rückgriff auf die gleichen Baustoffe. So wurde etwa für die neue Fassade der Färberei ein glücklicherweise erhaltenes Stück des Originalputzes durch ein Labor analysiert. Den Ergebnissen zufolge entschied sich Mies van der Rohe seinerzeit für einen hochwertigen weißen Edelkratzputz mit Glimmeranteilen. Der damalige Hersteller, die Firma Terranova, ist inzwischen in der Saint-Gobain Weber GmbH aufgegangen. Der entsprechende Putz ist jedoch nach wie vor in kaum veränderter Rezeptur verfügbar und kam bei der Sanierung zum Einsatz.

Zur Stabilisierung und Egalisierung des bestehenden Mauerwerks brachte die ausführende Firma Froitzheim Planen & Bauen GmbH aus Mönchengladbach zunächst einen Füllputz sowie einen Grundierputz an die Wand. Darauf folgte der Edelkratzputz, der wie das Original mineralische Glimmerpartikel enthält. Schon damals legten Architekt und Bauherren Wert auf den repräsentativen Charakter sowie die Andersartigkeit dieser Industriearchitektur der Dreißigerjahre. Die Wahl des „eleganten“ Putzes betonte dies explizit. Die fortschrittliche Architektur der Firmengebäude diente den Vereinigten Seidenwerken, so die Langform des Firmennamens, auch als identitätsstiftendes Element, um Modernität zu demonstrieren und sich im harten Wettbewerb von anderen Textilherstellern abzuheben.

Moderne Mischnutzung

Die Innenräume des HE-Gebäudes sind bereits saniert und beherbergen heute weiträumige, von Tageslicht durchflutete Büros von Agenturen und Kanzleien. Auch ein Coworking-Space ist geplant. Im Eingangsbereich wird in Zukunft ein Info-Point dafür sorgen, dass Besucher sich schnell zurechtfinden. Und für das leibliche Wohl der Mitarbeiter und Besucher eröffnet im Erdgeschoss bald das Café Ludwig. Anlässlich des hundertjährigen Bauhaus-Jubiläums wird zudem eine entsprechende Ausstellung in der ehemaligen Produktionsstätte kuratiert. So gewinnt das Gebäude seine Multifunktion, für die es bestimmt war, vollumfänglich zurück. Der Innenausbau der Färberei steht noch aus. Hierfür existieren derzeit zwei Konzepte: Eine Variante sieht vor, die Gebäude komplett zu sanieren und an aktuelle energetische Standards anzupassen. Durch Einziehen einer zweiten Ebene in Form einer Galerie soll dabei Mietfläche gewonnen werden. Alternativ schwebt den Architekten ein Haus-im-Haus-Prinzip vor, bei dem lediglich die Gebäudehülle saniert würde. In diesem Fall könnten die zukünftigen Mieter frei entscheiden, wie sie ihre Flächen gestalten möchten. Beide Konzepte verändern den eigentlichen Bau nicht und entsprechen daher den Auflagen des Denkmalschutzes.