Objekt: Healthcare-Zentrum MediCity Bottrop
Bauherr: Peter Stadtmann, Bottrop
Architekt: Strelzig + Klump, Bottrop
Fotograf: Behrendt & Rausch, Kottenheim
WDVS: weber.therm A100, vollmineralisches Wärmdämm-Verbundsystem
Dämmstoff: Mineralwolle-Lamellen, WLG 041, Stärke 280 mm
Oberputz: gefilzter mineralischer Oberputz
Stuckelemente: Glapor Schaumglas
Ausführung: Hütter Dämmputz GmbH, Bottrop,Berchem Restaurierungen GmbH, Essen
Stadtentwicklung: Nachverdichtung wertet Innenstadt auf
Für die MediCity Bottrob entstanden drei optisch unterschiedliche Fassadenbereiche, die ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Ergebnis: Mehr umbauter Raum und eine Aufwertung der Innenstadt.
Beim Thema Nachverdichtung wird heute meist von Aufstockung oder dem Einfügen zusätzlicher Gebäude in einen lockeren Gebäudebestand gesprochen. Für das 2016 fertiggestellte Healthcare-Zentrum MediCity Bottrop hingegen mussten mehrere kleinere Gebäude einem Neubau weichen. Mit gleichem Ergebnis: mehr umbauter Raum und damit eine höhere Dichte. Gleichzeitig wurde die Zukunftsfähigkeit der Innenstadt gesteigert.
Wenn 2018 in Bottrop die letzte noch aktive Zeche schließt, wird der Bergbau im Ruhrgebiet endgültig Geschichte sein. Der mit der fortschreitenden Deindustrialisierung einhergehende Strukturwandel und deutschlandweite Trends wie der demografische Wandel hingegen stellen Investoren, Stadtplaner und Architekten weiterhin vor Herausforderungen. Noch 2012 beklagte das Stadtplanungsamt Bottrop einen zunehmenden Attraktivitäts- und Funktionsverlust der Innenstadt, verursacht durch hohen Leerstand und eine große Anzahl von Niedrigpreisdiscountern. Seitdem hat sich einiges getan. Unter anderem mithilfe des Förderprogramms Stadtumbau West und als Modellstadt des Projektes InnovationCity Ruhr stemmt sich Bottrop erfolgreich gegen den Trading-down-Prozess. Auch eine Gestaltungssatzung wurde verabschiedet.
So war es der Stadtverwaltung 2014 eine Pressemitteilung wert, dass in der Innenstadt ein neuer Geschäfts- und Ärztehauskomplex entstehen sollte. Hauptmieter in den Ladenlokalen sind die Kaufhauskette Woolworth, eine Fielmann-Filiale, ein Reformhaus sowie eine Buchhandlung. Hinzu kommen mehrere große Arztpraxen in den Obergeschossen. Insgesamt ein gelungener Branchenmix.
Komplettabriss unausweichlich
Der Investor, ein Bottroper Geschäftsmann mit Interesse an einer langfristig positiven Stadtentwicklung, beauftragte das ortsansässige Büro Strelzig + Klump mit der Planung. Die architektonische Antwort, die Wolfgang Strelzig und sein Team auf die Bauaufgabe gefunden haben, lässt sich als komplex und wertbeständig beschreiben. Hinter den ehemaligen Hausnummern Hochstraße 35 bis 41 verbirgt sich nun ein großer Gebäudekomplex, der sich durch den ganzen Block bis in die rückwärtig liegende Schützenstraße erstreckt. Mit seinen viergeschossigen Fassaden nimmt das Gebäude die Höhen der Nachbarhäuser auf. Dazwischen erstrecken sich zweigeschossige Bereiche mit zwei Lichthöfen. Schlechte Bausubstanz, ungünstig zugeschnittene Nutzflächen sowie ein schwieriges, verwinkeltes Grundstück führten zu der Entscheidung für den Komplettabriss des alten Baubestandes. Durch die Vermittlung der InnovationCity-Management-gesellschaft und der Sant-Gobain-Gruppe, die zahlreiche Baustoffe für das Projekt lieferte, wurde das Gebäude zu einem energetischen Vorzeigeobjekt. Der Energieverbrauch liegt ganze 25 Prozent unter den seit 2016 geltenden Anforderungen der ENEV. Im Inneren planten die Architekten die MediCity als modernen Gesundheitsbau: großzügige Flächen mit einem Ausbau in Trockenbauweise, bei dem künftige Nutzungsänderungen flexibel umgesetzt werden können. Entsprechend nimmt der Rohbau keine Rücksicht auf die alten Grundstücksgrenzen innerhalb des Baufeldes. Lediglich zwei begrünte Lichthöfe und notwendige Bauteile wie Brandwände und die Treppenhauskerne setzen dem Innenausbau Grenzen. Insgesamt umfasst der Gebäudekomplex 5.500 m2 Bruttogeschossfläche und damit mehr als doppelt so viel wie der Altbestand.
Kleinteilige Fassaden
Nach außen vermittelt die MediCity ein ganz anderes Bild. „Im Entwurf wurde schnell klar, dass der Innenstadt an dieser Stelle eine Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Kleinteiligkeit guttut“, berichtet Wolfgang Strelzig. Sicherlich kein leichtes Unterfangen, eine angemessene Architektursprache zu finden, besteht doch die Bottroper Innenstadt aus einem Konglomerat unterschiedlicher Baustile und städtebaulicher Ideen. Kleinteilige Jugendstil- und Reformarchitektur wechseln sich mit teils überdimensionieren Neubauten aus jüngeren Jahrzehnten ab.
So entstanden für die MediCity drei optisch unterschiedliche Fassadenbereiche, die ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Wo einst der heruntergekommene Nachkriegsbau der Hausnummer 35 stand, befindet sich nun eine Lochfassade aus Travertin mit Aluminiumfenstern über einer großflächig verglasten Erdgeschosszone. Über der Woolworth-Filiale in den ehemaligen Häusern 39 bis 41 setzten die Architekten Muschelkalk ein. Hier lockern farbige Paneele die großflächigen Fenster auf. Beide Gebäudeteile orientieren sich mit Dachneigung und Traufhöhe an den Nachbargebäuden. „Wir wollten Gebäude mit eigenständigem Charakter und hochwertigen Details herstellen. Davon gibt es in Bottrop seit den 70ern nicht mehr allzu viele, und das sollte unser Ansporn sein“, ergänzt der Architekt.
Rekonstruktion einer Stuckfassade
Eine ganz andere Architektursprache spricht der mittlere Fassadenabschnitt der ehemaligen Hausnummer 37. Das gründerzeitliche Wohn- und Geschäftshaus, das sich an dieser Stelle befand, stand zwar nicht unter Denkmalschutz, galt aber als erhaltenswertes Bauwerk nach § 39 des Baugesetzbuches. Doch auch hier stießen die Architekten auf schlechte Bausubstanz. Überlegungen, wenigstens die Fassade zu erhalten, wurden verworfen. Zu sehr hätte das nötige Stützgerüst den Verkehr eingeschränkt. Strelzig + Klump entschieden sich daher für eine Rekonstruktion der Stuckfassade. Maße wurden aufgenommen, Gipsabdrücke von den Zierelementen angefertigt. Anschließend wurde auch dieses Gebäude abgerissen.
Vollmineralisches System für Dauerhaftigkeit
Die Wiederherstellung erfolgte in Betonbauweise mit einem außenseitigen Wärmedämm-Verbundsystem. Zum Einsatz kam das vollmineralische System weber.therm A100 auf der Basis von Mineralwolle-Lamellen. Diese verfügen über eine hohe Abreißfestigkeit und eignen sich damit optimal für die Aufnahme von Stuckelementen. Zusätzlich wurde das System zweifach armiert und durch das Gewebe verdübelt. Die Verzierungen selbst wurden aus robustem Glasschaum originalgetreu reproduziert und angebracht. Teilvergoldungen setzen zusätzliche Highlights. Die übrigen Wandflächen ziert ein feiner mineralischer Filzputz. Für das Erdgeschoss entwarf Wolfgang Strelzig eine hölzerne Schaufensterfassade, die sich an den pittoresken Geschäften flämischer Altstädte orientiert. Schließlich ist es nicht weit vom Ruhrgebiet nach Belgien oder in die Niederlande. Gusseiserne Stützen, die man bei den Abrissarbeiten hinter Verkleidungen verdeckt fand, wurden aufgearbeitet und komplettieren den besonderen Charme des neuen Gebäudeensembles
Wolfgang Strelzig
„Die MediCity ist genau das, was sich die Stadt an dieser Stelle gewünscht hat. Aus diesem Grund haben alle Beteiligten von Anfang an an einem Strang gezogen. Ohnehin kann man ein solch komplexes Projekt nicht gegen die Baubehörden durchsetzen. Man muss ständig in Kontakt bleiben und viel miteinander reden.“