DATA & FACTS
KÖPFE-01.10.2019
Zur Person

Ulrich Neumann ist Architekt bei der BAL Bauplanungs und Steuerungs GmbH in Berlin und betreut die Sanierung der Staatsbibliothek von Beginn an.

 

BAL BAUPLANUNGS UND
STEUERUNGS GMBH

Lützowplatz 7
10785 Berlin

www.bal-berlin.de

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Vom Umgang mit Baudenkmälern

Ulrich Neumann über den Denkmalschutz

Der Berliner Architekt beschreibt, wie es gelingt, denkmalgeschützte Gebäude im Kontext zu sanieren und Bestehendes in den Entwurf zu integrieren.

Herr Neumann, was bedeutet der Begriff „Denkmal“ für Sie?

Ein Denkmal ist für mich zunächst ein Ort, an dem Geschichte nachempfunden werden kann. Die Staatsbibliothek zu Berlin ist etwa 100 Jahre alt. Sie ist der letzte Bau, der von Wilhelm II. eingeweiht wurde. Dann kam der Zweite Weltkrieg, bei dem große Teile zerstört wurden. Und damit gehen wir bei der Sanierung um. An der Fassade sind zum Beispiel noch Einschusslöcher sichtbar. Sie lassen die Geschichte und die Zeit am Gebäude ablesen, daher der Denkmalstatus.

Wie unterscheidet sich Ihre Herangehensweise bei der Planung oder den Entwürfen für die Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes von der bei einem Bau, der nicht unter Denkmalschutz steht?

Bei den Planungen arbeitet man in einem Kontext. Dieser ist bei Gebäuden mit Denkmalschutz konkreter, da alle Entscheidungen immer das alte Gebäude und jeden einzelnen Bereich betreffen. Dafür gehen wir von Raum zu Raum und schauen, welche Schichten vorhanden sind, welche behalten werden. Anschließend überlegen wir, wie wir Bestehendes in den Entwurf integrieren können. Der Vorteil eines vorhandenen Baus liegt darin, dass ich die Kubatur wirksam in eine neue Beziehung setzen kann. Das ist manchmal einfacher, als eine neue Kubatur auf einem grünen Feld zu schaffen.

Welche Anforderungen wurden seitens der Denkmalschutzbehörde gestellt?

Die oberste Priorität ist immer, möglichst viel alte Bausubstanz zu erhalten. Teilweise ersetzen wir sie auch. In diesem Fall müssen wir vor der Denkmalschutzbehörde argumentieren, weshalb dieser Schritt notwendig ist und weshalb es keine Mittel und Wege gibt, die ursprüngliche Substanz zu erhalten. Denn ein neues Element ist natürlich niemals das Original. Vieles kann nachgebaut werden, aber die Technik hat sich verändert. Es wird niemals das Gleiche sein.

Inwiefern stellt der Neubau einen Bezug zum Altbau her? Gibt es besondere Parallelen? Haben Sie bewusst Kontraste eingesetzt?

Mit dem Neubau soll die alte Kubatur nicht nachgebaut, sondern nachempfunden werden. Der neue Lesesaal ist in etwa so groß wie der alte und hat ein ähnliches Bauvolumen. Früher war es eine oktogonale, gekuppelte Form, heute ist es ein Rechteck mit einer Glasfassade. Dadurch haben wir das alte Bauvolumen in die heutige Zeit übersetzt.

Welche Rolle nimmt die Glasfassade des neuen Lesesaals ein?

Sie stellt einen Bezug zwischen alt und neu her. Und sie ist zeitgemäß, da sie einen lichtdurchfluteten Raum ermöglicht. Die fünfte Fassade ist auch aus Glas – das war im alten Lesesaal anders. Die alten Räume haben etwas Markantes und Rustikales, so muss auch der alte Lesesaal gewesen sein. Die Leuchten wirken nicht wie Lampen, sondern wie Straßenlaternen. Der neue, transparente Saal bietet dagegen viel Licht und Volumen. Das stellt natürlich hohe Anforderungen an die Klimatechnik und wird über passive Maßnahmen wie die doppelschalige, hinterlüftete Glasfassade unterstützt. Es war uns wichtig, eine angenehme Atmosphäre und einen guten Arbeitsplatz zu schaffen.