DATA & FACTS
KÖPFE-01.10.2017
Zur Person

Henri Praeger ist seit 2004 Partner bei Praeger Richter Architekten. Der Diplom-Architekt arbeitet derzeit an einer PhD-Thesis mit dem Thema „Is Architecture a Forensic Process in an Interactive Age?“ an der Bartlett School of Architecture London.

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Das Ausbauhaus als Experimentierfläche

Henri Praeger über kostengünstiges Bauen und flexible Wohnräume

Praeger Richter Architekten ermöglichen individuelle Wohnkonzepte durch flexible Grundrisse.

Bauen wir in Deutschland zu aufwändig?

Ja, aufgrund gesellschaftlicher und somit planerischer Normen bauen wir zu aufwändig. In einem Ausbauhaus von Praeger Richter Architekten kann man aber auf manches verzichten. So lassen sich zum Beispiel die Wände für Kinderzimmer später einbauen und so beim Kauf 200 bis 300 €/m2 sparen.

Was kann man sonst noch anders machen als bei herkömmlichen Wohngebäuden, um die Kosten zu senken?

Eine Abhängigkeit der Grundstückspreise vom Bebauungskonzept sehe ich als Grundvoraussetzung für stadt- oder landeseigene Grundstücke. In Berlin wird erst jetzt, viel zu spät und in unbedeutendem Maßstab, damit begonnen. Bisher bekam der Höchstbieter die Grundstücke. Oftmals sind lange Genehmigungswege nötig, da kein Geld vorhanden ist, um Planungssicherheit – zum Beispiel durch Bebauungspläne oder vereinfachte Verfahren – zu ermöglichen. Das vermeintlich gesparte Geld der öffentlichen Hand erzeugt auf anderem Weg durch den Zeitverlust einen viel höheren volkswirtschaftlichen Schaden.

Wenn man in der Architektur den Begriff „Regal“ hört, denkt man sofort an Le Corbusier. Gibt es bewusste Parallelen?

Ja, das Wohnregal erinnert an Le Corbusier, aber es gibt zwei große Unterschiede: Unsere Grundidee ist der lückenfüllende Stadtbaustein, der im Gegensatz zu Le Corbusiers Unité d’Habitation weniger herausstrahlt und sich stattdessen ins Milieu einfügt. Außerdem ist das Ausbauhaus mit Büros und Wohnungen, die jederzeit umgestaltet werden können, ökonomisch effizienter und flexibler als die Unité. Aufgrund dieser Flexibilität würde ich eher in der Gründerzeit Parallelen sehen.

Welche Erfahrungen haben Sie im Spannungsfeld zwischen Individualität und Standardisierung bereits gesammelt?

Wichtig ist, dass die Gebäudehülle stimmig ist. Das ist meist sehr kompliziert, weil wir hier nicht auf einzelne Wünsche eingehen können. Als Ausgleich gibt es im Inneren mehr Freiheit. Die Bewohner konnten zwar Pakete buchen, Sonderwünsche waren jedoch immer möglich. Das macht das Ganze nicht billiger, aber individueller. Trotzdem müssen bestimmte Regeln eingehalten werden, da die Gemeinschaft nicht gestört werden darf.

Werden Sie in die weiteren Ausbauarbeiten der Nutzer mit eingebunden?

Bei den Selbstausbauern werden wir nicht mit eingebunden. Sonderwünsche zu unseren Standardpaketen werden von uns betreut. Wir gehen auf alles ein, raten in manchen Punkten aber auch ab. Nicht jeder findet unsere Ideen gut und wendet sich gegebenenfalls an andere Architekten oder Handwerker. Das ist auch in Ordnung. Wir wollen nicht vorschreiben, wie jemand zu leben hat. Wir möchten nur, dass bei der Schlüsselübergabe alle zufrieden sind.

Haben Sie aus diesen Erfahrungen heraus Ihre Konzepte angepasst?

Kaum. Ich habe mich lange mit der Effizienz von Grundrissen beschäftigt, mit den Vorteilen, der Nutzung und den Wegen innerhalb einer Wohnung. Die Bewohner haben damit weniger Erfahrung. Ich achte mehr auf Flexibilität. Die individuellen Wünsche der Bewohner werden daher nicht zu meinen Standards. Abgesehen davon ist das Entwerfen von Mehrfamilienhäusern leider wenig Veränderungen unterworfen, da die eigentlichen Nutzer ihre Häuser trotz veränderter Wohnvorstellungen durch gesellschaftlichen Wandel selten selbst bauen. Baugruppen, also selbst organisierte Baugemeinschaften, für die wir in der Vergangenheit viel gebaut haben, bilden eher die Ausnahme.

Gibt es Grundrisslösungen, mit denen Sie als Architekt überhaupt nicht gerechnet haben?

Ja, zum Beispiel wurde einmal die Küche in eine Glasbox gesteckt. Die Menschen, die im Ausbauhaus wohnen wollen, bauen für sich selbst. Daher machen sie sich im Gegensatz zu Wohnungsbaugesellschaften keine Gedanken um Effizienz oder Verkauf. Die Gestaltung muss auch nicht für immer so bleiben, sondern kann beliebig verändert werden. Wir schreiben dabei keine Wohnkonzepte vor, sondern schaffen flexible Lösungen für verschiedene Bewohner wie Paare, Familien oder Singles.

Bauen die Leute konservativer, wenn man sie selbst machen lässt?

Der Begriff „konservativ“ ist schwierig. Die Grundrisse sind nicht konservativer, sondern werden offener gestaltet und lehnen sich an unser Konzept an. Manche Bewohner wünschen sich andere Materialien. Viele wollen zum Beispiel keine Trockenwände, sondern ökologische Lehmbauwände. Oft werden auch höherwertige Holzböden eingesetzt. Das kann man als konservativ ansehen, es ist aber dennoch en vogue und nachhaltig.

Warum haben Sie sich für die Sichtspachtelmasse von Weber entschieden?

Der Boden eignet sich sowohl als Zwischenlösung, also als Untergrund zum Beispiel für Parkett, wie auch als Endfinish. Wir schätzen diesen Boden mit all seinen Gebrauchsspuren genau wie einen Holzboden, der Leben erzeugt und nicht tot ist.