DATA & FACTS
BAUTEN-01.11.2020
Daten + Fakten

Objekt: Wattenmeer-Zentrum, Ribe

Bauherr: Gemeinde Esbjerg

Architekt: Dorte Mandrup A/S, Kopenhagen

Landschaftsarchitekt: Marianne Levinsen Landskap ApS, Kopenhagen

Ingenieurbüro: Steensen & Varming und Anders Christensen ApS

Ausstellungskonzept: JAC studios, Kopenhagen

Fotos: Adam Mørk, Kopenhagen

Damit wurde gebaut

Boden:  weber.floor 4650, DesignColour in G40

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Im Rhythmus der Gezeiten

Wattenmeerzentrum Ribe: Ausstellungsgestaltung als Dialog von Alt und Neu

Bei der Neugestaltung des Wattenmeerzentrums im dänischen Ribe wählte die Architektin Dorte Mandrup einen Ansatz, der die vorhandenen Ressourcen in eine zeitgenössische Architektursprache übersetzt.

Mit einer Fläche von rund 11.500 Quadratkilometern stellt das Wattenmeer den Lebensraum von 10.000 Tier- und Pflanzenarten dar. Das Wattenmeer-Zentrum „Vadehavscentret“ an der dänischen Westküste beleuchtet die Geschichte des Lebens im und um das UNESCO-Weltnaturerbe. Bei der Neugestaltung des Ausstellungsgebäudes wählte das Kopenhagener Architekturbüro von Dorte Mandrup einen Ansatz, der die vorhandenen natürlichen und traditionellen Ressourcen aufgreift und sie in Form eines spannenden Dialogs in eine zeitgenössische Architektursprache übersetzt.

Aus der flachen und weitläufigen Landschaft der dänischen Westküste erhebt sich die skulpturale Hülle des neuen Wattenmeer-Zentrums in Ribe. Seine Geschichte begann mit der Errichtung in den 90er-Jahren, angelehnt an die traditionelle, regionale Bauweise der Bauernhöfe – meist U-förmige Anlagen, deren geschützten Innenhöfen der starke Westwind nichts anhaben konnte. Die Umsetzung dieser Typologie durch weiß geschlämmte Ziegelmauern, rote Ziegeldächer und eine großflächig verglaste Eingangsfassade war jedoch eine nur wenig überzeugende Neuinterpretation. Im Jahr 2014 entschied sich die Gemeinde Esbjerg daher, gemeinsam mit der A.-P.-Møller-Stiftung und den Direktoren des Wattenmeer-Zentrums einen Wettbewerb für die Sanierung und Erweiterung des bestehenden Gebäudes auszuloben.

Den Bestand verstecken

Als Gewinner ging der Entwurf des Büros von Dorte Mandrup, Kopenhagen, hervor, der sich in Anlehnung an die vierflügelige Farmtypologie ebenfalls der lokalen Bautraditionen bedient. Mit dem Erweiterungsbau ergänzten sie nicht nur die bestehende L-förmige Anlage zu einem Vierseithof, vielmehr umhüllten sie damit auch Teile des Bestands und versteckten ihn, um ein Gefühl der Einheit zu schaffen. Parallel zum südlichen Baukörper schufen sie ein weiteres Langhaus, das Schulungsräume beherbergt.

Die Pflanzinseln im Innenhof wurden von der Landschaftsarchitektin Marianne Levinsen gestaltet. Mit ihrer Tundra-Vegetation erinnern sie an das Brutrevier der Millionen Zugvögel, die jedes Jahr während ihrer Reise im Wattenmeer rasten.

Natürliche Materialien treffen regionale Handwerkskunst

Eine weitere Inspirationsquelle fanden die Architektinnen und Architekten in den Strohhäusern, die einst von den Wikingern auf Hügelinseln entlang des Wattgebietes errichtet wurden. Als Dachmaterial für den Neubau verwendeten sie Wasserschilf, das bis heute in direkter Nähe wächst. So wirkt das Museum aus der Ferne wie eine strohgedeckte Farm, die als Insel aus der Landschaft erwächst. Das weiche, strukturierte Schilfrohr – besser bekannt als Reet – wurde mit langen Präzisionsschnitten bearbeitet, um Traufe, bedeckte Bereiche und Schnittpunkte zwischen den diagonalen und vertikalen Flächen zu erzeugen. Hierdurch entsteht die asymmetrische und kantige Kubatur, die dem Gebäude seinen starken Ausdruck verleiht. Die flankierenden Verglasungen innerhalb der ansonsten geschlossenen Gebäudehülle wirken wie eingeschnitten und verbinden Innen- und Außenraum. Das zweischalige Mauerwerk des Bestandsgebäudes blieb im Zuge der Maßnahmen erhalten. Lediglich die Fenster wurden vergrößert, um die visuelle Kohärenz zu verbessern. Sowohl Dach als auch Fassade wurden im Gegensatz zum Neubau mit schmalen Latten aus Robinienholz verkleidet, die Alt- und Neubau auf sanfte Weise ablesbar machen.

Ausstellung und Architektur im Dialog

An der Nordseite der Anlage befindet sich der Eingangsbereich, der sich in Form einer Terrasse mit einer diagonal verlaufenden Rampe über die gesamte Gebäudelänge erstreckt. Das weit auskragende Dach schützt vor Witterungseinflüssen und heißt die Besucher willkommen.

Das Innere steht in einem deutlichen Kontrast zu dem natürlich anmutenden äußeren Erscheinungsbild, ist dabei jedoch nicht weniger beeindruckend. Das Ausstellungskonzept entwickelte Mandrups Team gemeinsam mit JAC studios aus Kopenhagen. In sieben Räumen werden hier unter anderem Natur und Tierwelt dargestellt. Dabei formen Dach und Fassade des Museums immer wieder neue Raumgeometrien, erzeugen spannende Tageslichteinfälle und binden auch den Außenraum über Blickbeziehungen in die Darstellungen ein. Die Gestaltung der Oberflächen ist bewusst reduziert gehalten zugunsten zahlreicher Exponate und Installationen, die auf innovative und spielerische Art die Gezeiten oder den Zug der Vögel erklären. Während die Wände mit weißen Gipskartonplatten verkleidet wurden, erhielten die Decken der Ausstellungsräume einen weißen Akustikputz. Alle neuen Fußböden bestehen aus einer zementgebundenen Sichtspachtelmasse in hellem Grau, die die minimalistische Gestaltung ebenso dezent wie elegant unterstützt.