DATA & FACTS
KÖPFE-01.05.2019
Zur Person

Als Kunsthistorikerin und Urenkelin des Unternehmers Hermann Lange gilt Christiane Lange als Mies-van-der-Rohe-Expertin. Darüber hinaus ist sie Vorsitzende der Initiative Projekt MIK e.V.

Projekt MIK e.V.
Bismarckplatz 35
47799 Krefeld
www.projektmik.com

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Repräsentative Firmensitze

Christiane Lange über Industriearchitektur von Mies van der Rohe

Ludwig Mies van der Rohe stellte die Architektur in den Fokus der Lehre am Bauhaus. Dass er auch Industriearchitektur entwarf, ist allerdings wenig bekannt.

Frau Lange, wie hat Mies van der Rohe das Bauhaus geprägt?

Mies van der Rohe war der letzte Direktor und wurde in einer Krisensituation ans Bauhaus berufen, um Ruhe in die Kunsthochschule zu bringen. Man hatte ihn geholt in der Hoffnung, dass er die politischen Aktionen, die zu einem negativen Ruf des Bauhauses führten, reduzieren könne. Und das ist ihm gelungen. Außerdem hat er die Architektur in den Fokus der Lehre gestellt. Vielen ist gar nicht bewusst, dass es erst in der zweiten Hälfte der kurzen Existenz des Bauhauses möglich war, einen Abschluss in der Baulehre zu machen. Mies konnte das Bauhaus in Dessau nicht halten und verlagerte es als privates Institut nach Berlin. Auch hier wurden sie von den Nationalsozialisten in Bedrängnis gebracht und das Bauhaus schließlich geschlossen.

Welchen Einfluss haben die Bauhaus-Architekturen auf den Krefelder Städtebau?

Die Bauten von Mies bleiben in Krefeld eine Ausnahme. Grundsätzlich orientiert sich die Krefelder Architektur zwar an der Moderne der Zwanzigerjahre. Es gab gute lokale Architekten, aber prägend für das Stadtbild wurde Mies nicht.

Kann ein Industriebau sowohl funktional als auch repräsentativ sein? Wie stand Mies van der Rohe dazu?

Früher habe ich die Idee, dass seine Industriearchitektur für die VerSeidAG einen repräsentativen Charakter habe, immer abgelehnt. Zur VerSeidAG gehörte eine Vielzahl von Betrieben an unterschiedlichen Standorten, sie hatte eine eigene Baubabteilung, die sich darum kümmerte. Aber an der Girmesgath plante das Unternehmen einen Betrieb, der eine Erweiterung seines Betätigungsfeldes darstellte, nämlich einen Veredlungsbetrieb. Dieser neue Herstellungszweig war sehr speziell. Daher liegt es schon nahe, dass die Architektur dieser Produktionsstätte dementsprechend repräsentativ sein sollte.

Industriearchitektur zählte eigentlich nicht zu Mies van der Rohes Portfolio. Wie kam er zu diesem Auftrag?

Die VerSeidAG hatte eine eigene Bauabteilung. Dem Vorstand der VerSeidAG, insbesondere Hermann Lange, sollen die Entwürfe für den geplanten Veredlungsbetrieb aber nicht gefallen haben, und da durch die privaten Wohnhäuser damals schon der Kontakt zu Mies van der Rohe bestand, wurde er gebeten, die Planung zu übernehmen. Daraus entstand schließlich der Auftrag. Davon abgesehen hatte sich Mies 1930 nach der Weltausstellung in Barcelona zu einer Art Stararchitekt entwickelt.