DATA & FACTS
KÖPFE-01.10.2016
Zur Person

Armin Behles hat als Gastprofessor im Fachbereich Architektur der TU Darmstadt das Projekt „Low Tech High Rise“ initiiert, das bereits in Berlin, München und Dresden ausgestellt wurde. Er führt seit 1999 mit Jasper Jochimsen das Büro Behles & Jochimsen in Berlin.

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„Hier ist die Wand noch Mauer“

Armin Behles über Lowtech und monolithische Bauweise

Der Inhaber des Büros Behles & Jochimsen in Berlin hat als Gastprofessor im Fachbereich Architektur der TU Darmstadt das Projekt „Low Tech High Rise“ initiiert.

Über Nachverdichtung wird derzeit viel in den Medien berichtet. Wie wichtig ist das Thema tatsächlich?

Der Druck auf die Immobilienmärkte in den Zentren ist enorm. Parallel dazu erleben wir das Ausbluten von weniger attraktiven Regionen. Vor dem Hintergrund eines zunehmend wissensbasierten Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ist das zwar erklärbar, aber kaum zu steuern. Aus ökologischer Sicht ist diese Entwicklung durchaus positiv: weniger Flächenverbrauch, weniger Individualverkehr.

Wie dicht dürfen unsere Städte bebaut sein? Gibt es ein „zu dicht“ oder „zu locker“?

Entscheidend ist nicht die Quantität, sondern die Qualität. Es geht um Urbanität und um attraktive Stadträume. München ist die dichteste und zugleich beliebteste deutsche Großstadt. „Dichtestress“, wie die Schweizer das nennen, entsteht insbesondere durch Verkehrsimmissionen. Hier wird die Elektromobilität zukünftig für Entlastung sorgen und die Attraktivität der Städte nochmals erhöhen.

High Rise: Wohnhochhäuser erfahren derzeit eine Renaissance. Warum haben Sie sich für diesen Bautypus entschieden?

Wir haben uns bewusst für das „kleine“ Punkthochhaus mit ungefähr zehn Geschossen entschieden. Dieser Typus kann noch konventionell gebaut werden und ist sehr flächeneffizient. Und er eignet sich wegen seines kleinen Fußabdrucks auch besonders gut zur Nachverdichtung. Man hat eine überschaubare Anzahl von Wohnungen, die in aller Regel über Eck orientiert werden können. Die Hochhaus-Scheibe mit ihrer Verschattungsproblematik und der Tendenz zur Anonymität sehe ich da wesentlich kritischer.

Gab es Lösungen der Studierenden, die Sie überrascht haben?

Uns ging es ja ausdrücklich nicht um die „Platte 2.0“, also eine neue Generation von Typenbauten, sondern um spezifische Entwürfe, die ganz präzise auf ihren Kontext eingehen und auch auf diesen zurückwirken. Und da gibt es nun einige Projekte, die wirklich in Dialog treten mit ihren potenziellen Nachbarn. Das hat mich sehr gefreut, denn anfangs waren viele Studierende doch etwas eingeschüchtert von den Dimensionen in einem Quartier, das von Plattenbauten geprägt ist.

Lowtech: Bauen wir in Deutschland zu aufwändig? Was müsste sich verändern?

Wir müssen wegkommen von der Fixierung auf die nominelle Leistung einzelner Bauteile und hin zu einem langfristigen und ganzheitlichen Denken. Eine hochdämmende, vielleicht sogar Energie erzeugende Wand, die aber nach wenigen Jahren erneuert und aufwändig recycliert werden muss, ist nicht nachhaltig. Zumindest im Wohnbereich möchte ich mich auch nicht abhängig machen von Lüftungsanlagen und allerlei Steuerungssystemen, die nur von Spezialisten gewartet werden können. Ich glaube vielmehr an einfache, langlebige und tolerante Häuser.

Worin sehen Sie die Vorteile einer monolithischen Bauweise?

Hier ist die Wand noch Mauer. Ich will nicht der „ehrlichen Konstruktion“ das Wort reden, aber als Architekt interessiert mich das Elementare dieser Bauweise: What you see is what you get! Und dass Rohbau und fertiges Haus nahe beieinander sind, das spürt man auch später noch, glaube ich, auch über die bauphysikalischen Vorteile einer speicherfähigen und diffusionsoffenen Wand. Auf der Baustelle spare ich gegenüber einem mehrschichtigen Aufbau einige Arbeitsgänge, das macht sich auch zeitlich bezahlt. Und ich habe weniger Feuchtigkeit im Bau. Auf lange Sicht zählen einfacher Unterhalt und Recyclingfähigkeit.

Welche Besonderheiten gilt es beim Mauerwerksbau zu beachten?

Behles: Üblicherweise steht im Entwurfsprozess die Entscheidung für ein Konstruktionssystem erst weit hinten in der Kette. Manchmal entscheidet sogar erst der Unternehmer, wie gebaut werden soll. Nicht so beim Ziegelmauerwerk: Hier muss ich von Anfang an an den Lastabtrag denken. Das haben wir verlernt. Die massive Bauweise hat also entwurflich durchaus eine disziplinierende Wirkung. Aber wenn ich die Entwürfe der Studierenden ansehe, so vermisse ich die wild verspringenden Panoramaeckfenster nicht. Auch innerhalb der Logik der Lochfassade bleibt mir ein breites Ausdrucksspektrum.

Welche Anforderungen stellen Sie an Produkte, die sich für solche Projekte eignen?

Wir brauchen abgestimmte neue Systeme. Ein Beispiel: Zur massiven Ziegelwand gehört ein schöner mineralischer Putz. Zu Beginn unseres Entwurfsprojektes wollten wir mit den Studenten traditionelle Putze und die entsprechenden Verarbeitungstechniken ausprobieren und haben einen Workshop bei Saint Gobain Weber in Wülfrath gemacht, einem der wenigen verbliebenen Anbieter von klassischen Putzen. Dort haben wir gelernt, dass die klassischen Kalkzementputze nicht ohne weiteres auf hochdämmenden Ziegeln angewendet werden können. Denn der Putz muss immer leichter sein als der Ziegel! Also brauchen wir neue Putze, die natürlich all das können sollen, was klassische Putze konnten. Aber ohne Kunststoffvergütung. Da wird die Luft schnell dünn. Hier ist es wichtig, dass die Ziegel- und die Putzindustrie zukünftig verstärkt Hand in Hand arbeiten.