DATA & FACTS
KÖPFE-01.10.2021
Zur Person

Alexander Pier leitet pier7 architekten in Düsseldorf. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem bei Ingenhoven Architekten, hat er das Büro 1999 gegründet. Seitdem realisieren er und seine inzwischen neun Mitarbeiter vor allem Wohngebäude, aber auch Bildungs- und Kultureinrichtungen und arbeiten dabei immer wieder mit Bestandsbauten.

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Die Individualisierung der Einheit

Alexander Pier über die Sanierung einer Siedlung im Ruhrgebiet

pier7 architekten berichten darüber, wie man bei der Sanierung von Wohnsiedlungen Qualität bewahrt und den Einheiten trotzdem Individualität verleiht. 

Wie würden Sie das Ruhrgebiet in drei Worten beschreiben?

Industriekultur, Grünraum, Siedlungsbauten.

Sie haben mit Ihrem Büro den Gestaltungswettbewerb für die Gelsenkirchener Eppmannssiedlung gewonnen. Könnten Sie Ihren gestalterischen Ansatz kurz erläutern?

Wir schlagen vor, die Gebäude im Stadtraum neu zu verorten. Der Gebäudebestand ist bislang relativ gleichartig, es besteht eine regelrechte Verwechslungsgefahr. Wir wollen das Quartier individueller gestalten und nach innen und außen öffnen, etwa durch erweiterte und einladende Entreesituationen. Den Gebäuden werden private Freibereiche vorgelagert; eingefasst durch Mauern entstehen großzügige, begrünte Eingangsbereiche mit Sitzbank, Fahrradstellplatz, Mülltonnenschrank und Vordach. Zur Akzentuierung und Lesbarkeit der einzelnen Wohneinheiten umfasst unser Entwurf darüber hinaus eine Rahmung der Öffnungen mit unterschiedlichen Putzstrukturen. Und das Lochmuster der Balkone ist extra für die LEG-Bauten entwickelt worden.

Die Eppmannssiedlung ist ja geradezu archetypisch für das Ruhrgebiet. Worin bestehen die Herausforderungen bei der Sanierung einer solchen Siedlung? 

Die Herausforderung liegt meines Erachtens darin, die Reihung immer gleicher Gebäude aufzuheben und die einzelnen Häuser und auch Wohnungen erkennbar zu machen. Gleichzeitig geht es natürlich auch darum, vorhandene Qualitäten zu bewahren und zu unterstreichen. So haben wir etwa an Haus B ein 50er-Jahre-Motiv aufgenommen, vektorisiert und in abstrahierter Form als Sgraffito wieder auf die sanierte Fassade übertragen. Und die enorme Durchgrünung wollen wir nutzen, indem wir sie noch direkter für die Wohnungen erschließen.

Ist der Bestand für Sie per se erhaltenswert? Wann würden Sie eher zu einem Abriss und Neubau raten?

Wir vertreten die Auffassung, dass der Bestand grundsätzlich dahingehend geprüft werden sollte, ob er bewahrt und überarbeitet oder erweitert werden kann. Aus unserer Erfahrung ist die Bausubstanz bei bestehenden Massivbauten immer recht robust. Fenster, die technische Infrastruktur und andere Elemente müssen natürlich ausgetauscht und erneuert werden. Aber dann bietet der Erhalt von Bestandsbauten die Möglichkeit, graue Energie zu vermeiden und kostengünstig wertigen Wohnraum anbieten zu können.

Welches Energiekonzept liegt der Sanierung zugrunde?

Die Gebäudehülle wird komplett ertüchtigt, von der Fassade über die Fenster und das Dach bis zur Dämmung der Kellerdecke. So erreichen wir eine Hülle auf KfW-55-Niveau. Die zukünftige Primärenergiequelle wird aktuell noch geprüft. Denkbar wäre zum Beispiel, die Fernwärmeversorgung beizubehalten oder auf ein Nahwärmenetz innerhalb der Siedlung umzustellen.

Warum haben Sie sich für weber.therm circle als WDV-System entschieden?

Die Recyclingfähigkeit und die Möglichkeit der sortenreinen Trennung im Rückbau waren für uns von entscheidender Bedeutung. Dies gilt auch für alle anderen Baustoffe, die bei der Sanierung zum Einsatz kommen. Deswegen haben uns die Verschraubung der Dämmung und die Möglichkeit, den durchgefärbten Putz später einfach mit dem Bagger abzuziehen, überzeugt.