DATA & FACTS
BAUTEN-01.10.2018
Daten + Fakten

Objekt: „2 Ministerien“, Potsdam

ÖPP-Partner: Strabag Real Estate GmbH, Brandenburgischer Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen, Potsdam

Architekt: ARGE SEHW Architektur mit deluse architects

Fassade: Howe Bau GmbH, Berlin

Fotograf: Christian Richters, Berlin

Damit wurde gebaut

WDVS: weber.therm A 100, vollmineralisches Wärmedämmverbundsystem

Dämmstoff: Mineralwolle-Dämmplatten, Dicke 240 mm, 0,034 W/mK

Oberputz: weber.top 204, mineralischer Edelkratzputz, Sonderfarbton

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Offen, schlicht, demokratisch

2 Ministerien – Nachverdichtung in Potsdam

Durch eine zeitgemäße und zurückhaltende Formensprache fügt sich der Entwurf von SEHW Architekten in die Nachbarschaft aus denkmalgeschützten Bestandsbauten ein.

Wer neue Architektur ins historisch anmutende Potsdam setzt, kann sich einfügen oder abgrenzen. SEHW Architekten gelang bei den „2 Ministerien“ mit einer modern interpretierten Putzfassade der Spagat zwischen beidem.

Der vom Berliner Büro SEHW Architektur in einer Arbeitsgemeinschaft mit deluse architects geplante Neubau befindet sich inmitten denkmalgeschützter Bestandsbauten einer ehemaligen Kaserne. Durch eine zeitgemäße und zurückhaltende Formensprache fügen sich die „2 Ministerien“ mit den Ressorts Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz sowie Arbeit, Soziales und Familie in ihre Nachbarschaft ein. Die „Minister-WG“ mit 16.400 m2 Bruttogeschossfläche wurde als öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) mit der Strabag Real Estate im Juni 2015 fertiggestellt.

Demokratische Architektur

Die nahezu clean anmutende Putzfassade weist keinerlei Ornamente auf und grenzt sich damit deutlich von herrschaftlichen Gebäuden wie dem wieder errichteten Potsdamer Stadtschloss ab. Statt einer streng gegliederten Hauptfassade setzen SEHW Architekten auf asymmetrisch angeordnete Fensterbänder und weite Glasflächen im Erdgeschoss, mit denen sich das Gebäude dem Bürger öffnet. Diesen aufgelockerten, einladenden Eindruck unterstützen die schmalen, schlichten, ebenfalls asymmetrisch angeordneten Säulen. Durch diese Elemente wird jegliche Hierarchie in der Architektur der „2 Ministerien“ verneint. Stattdessen zeigt sich der Bau mitsamt den umgebenden Grünflächen einladend und offen.

Friedrizianische Fensterlöcher treffen auf moderne Fensterbänder

Der Bau vermittelt zwischen innerstädtischer Dichte und grünen Havel-auen und stellt eine Verbindung von Stadt und Natur dar. An der Fassade zur Hoffbauerstraße passt sich das sonst eher offen gestaltete Gebäude mithilfe von streng gegliederten Fensterlöchern an die gegenüberliegende preußisch-friedrizianisch anmutende Architektur an. Gleichzeitig nimmt es die Höhe der umgebenden Bauten auf und wirkt daher ähnlich monumental. Durch diese strenge Geschlossenheit lässt sich der Neubau von den umgebenden Bestandsbauten auch optisch nicht verdrängen.

Die anderen Fassadenseiten zeigen sich hierzu recht konträr. Vor allem in der Höhe ist der Baukörper variationsreich gestaltet. Während die Straßenseite die umgebenden Höhen aufnimmt, wird das Gebäude im Blockinneren höher. Es duckt sich, um dahinterliegenden Bereichen Ausblicke zu gewähren. Es hebt sich, um darunter hindurchgehen zu können. Hierzu ersetzen schmale, unregelmäßig angeordnete Säulen ohne Ornamente einen Teil des Baus an der Nord- und Westseite des Gebäudes und stützen die darüberliegenden Geschosse. Weite Glasfronten öffnen die Architektur zusätzlich und sorgen dafür, dass in diesen Bereichen trotz der vorkragenden Gebäudeteile ausreichend Tageslicht in die beiden unteren Etagen fällt. Asymmetrisch verlaufende Fensterbänder, die teilweise auch um die Gebäudekante führen, lockern das Bild auf.

Drei unterschiedlich gestaltete Innenhöfe gliedern das Innere des Gebäudes. Der mittlere Hof öffnet sich zum Forum auf dem Campus und ist als einladender Erschließungshof konzipiert, der in ein zweigeschossiges Foyer führt. Der westliche Hof erlaubt Einblicke von der Straße. Der östliche Hof ist dagegen geschlossen und den Mitarbeitern der Ministerien vorbehalten.

Edelkratzputz von Hand verfeinert

Bei der Wahl der Fassadenfarbe grenzten sich die Planer von der umgebenden Architektur ab. Während bei den historischen Bauten pastellige Farben, oft Gelbtöne, vorherrschten, entschieden sich SEHW Architekten für eine dunkle Edelkratzputzfassade. Mithilfe von verschiedenen Zuschlägen wurde der Farbton vor Ort gemeinsam mit den Architekten individuell eingestellt.

Die Besonderheit eines Edelkratzputzes liegt darin, dass die nicht mit Bindemitteln ummantelten Körner auf der Oberfläche zu erkennen sind. Erzielt wird diese Optik durch die Verarbeitung. Zunächst trug die ausführende Firma Howe GmbH aus Berlin die Putzschicht in einer Stärke von 10 bis 15 mm auf. Nach dem Antrocknen wurde sie mit einem Nagelbrett, dem sogenannten Kratzigel, bis auf eine Schichtdicke von 8 bis 10 mm abgekratzt. Bei dieser Technik lösen sich einzelne Körner, sodass die typische Kratzputzstruktur entsteht. Der Zusatz von rötlichen Gesteinskörnungen lässt die Fassade lebendig erscheinen. Damit die Putzschicht aufgrund ihrer hohen Schichtdicke nicht reißt, wurden einzelne Felder durch unregelmäßig angeordnete Fugen separiert. Jedes Feld wurde in einem Arbeitsgang hergestellt. Leichte Unterschiede in den Farbtönen sind ein Charakteristikum natürlich durchgefärbter mineralischer Putze und wurden bewusst in Kauf genommen. Sie sorgen für eine zusätzliche Auflockerung der Fassade und lassen sich bei Bedarf einzeln erneuern.

Gedämmte Gebäudehülle mit Zustimmung im Einzelfall

Unter der Putzfassade sorgen 240 mm Mineralwolle-Dämmplatten für eine zeitgemäße Dämmung des Niedrigenergiegebäudes und für höchsten Brandschutz. Um eine optische Gleichheit des sichtbaren Fensterrahmens zu erzeugen, wurden die Platten im Sturzbereich der Fensterelemente circa 15 cm rückseitig ausgeklinkt. Die geforderte Rahmenüberdeckung von 3 bis 4 cm wurde dadurch deutlich überschritten. Die Weber-Anwendungstechniker entwickelten eine individuelle Lösung für die Verklebung.

Innenraum mit offener Atmosphäre

Das Innere des Gebäudes ist geprägt von der klaren Organisationsstruktur der Verwaltungsbereiche, durchbricht aber immer wieder das Serielle und lässt Raum für Kommunikation und Austausch. Die öffentlichen Bereiche mit Veranstaltungssaal und Bibliothek befinden sich leicht zugänglich im Erdgeschoss. Das Farb- und Materialkonzept unterstreicht durch erdige Töne und Holzoberflächen sowie Glas die warme Atmosphäre des Hauses und demonstriert Offenheit und Bürgernähe der Ministerien.

Nach nur knapp zweijähriger Bauzeit wurde der Gebäudekomplex eingeweiht. Bereits während der Errichtung wurden die „2 Ministerien“ mit dem Preis für vorbildliche Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft ausgezeichnet.